Mitarbeiterin setzt blühende Zeichen
Von Rainer Beutel.
Nicht nur in den Jugendorganisationen der Parteien, auch in öffentlichen Verwaltungen engagieren sich junge Menschen so nachhaltig, dass ihre alltägliche Arbeit sichtbar Außenwirkung entfaltet. Ein Beispiel ist die 29 Jahre alte Anne Koszela. Als Umweltschutzbeauftragte und Zuständige für die Bauleitplanung in der Gemeinde Trebur setzt sie markante Zeichen, beispielsweise mit einer üppigen Blumenwiese, die von der Gemeinde mit dem Verein „Mir Trewwerer“ in Kooperation mit dem NABU nach ökologischen Aspekten umgestaltet wurde. Rainer Beutel hat sich nach ihren Aufgaben, weiteren Zielen und Visionen erkundigt.
Frau Koszela, Sie haben ein breites Betätigungsfeld. Welche Aufgaben reizen Sie besonders?
Anne Koszela: Insgesamt ist es die Vielfältigkeit, die mich an meinem Job in Trebur am meisten reizt. Neben meinem bisherigen beruflichen Schwerpunkt „Naturschutz und Umweltplanung“ sind noch viele Themen als Aufgaben hinzugekommen, beispielsweise Waldbewirtschaftung, Bauleitplanung, Klimaschutz und Luftreinhaltung, E-Mobilität, Landwirtschaft und Gewässerthemen. So ist kein Tag wie der andere.
Was macht am meisten Spaß?
Anne Koszela: Die Umsetzung von Maßnahmen. Es beginnt mit der Idee, dann folgt die Planung, die Vorstellung in den gemeindlichen Gremien, anschließend die Abstimmung mit Bürgern, Behörden und Verbänden, die Auftragsvergabe, Abstimmungen bis hin zur Umsetzung. Hierbei versuche ich immer alle Beteiligten zusammen zu bringen und Kompromisse zu finden. Manchmal muss auch Überzeugungsarbeit geleistet werden, um das Ziel „Erhalt und Entwicklung der Biodiversität“ zu erreichen. Außerdem organisiere ich gerne Mitmach-Aktionen und Vorträge z.B. zum „Hessischen Nachhaltigkeitstag“, das Stadtradeln oder für die Aktion „Sauberhaftes Hessen“.
Es gibt bei Ihrer Arbeit vermutlich immer wieder Interessenskollisionen, man denke nur an den Kiesabbau oder die Ausweisung neuer Wohngebiete. Nehmen Sie eher eine Vermittlerrolle ein oder geben Sie klar die Richtung vor?
Anne Koszela: Ja, das ist richtig. Ich versuche hierbei immer zu vermitteln. Naturschutz wird häufig sehr negativ als Verhinderer von Projekten dargestellt, dabei gibt es viele Maßnahmen, die bei Projekten umgesetzt werden können. Im Vergleich zu den Gesamtkosten der Vorhaben sind die Kosten für den Ausgleich und den Artenschutz meist verschwindend gering. Zeitlich ist es wichtig die naturschutzrechtlichen Anforderungen von Anfang an mit einzuplanen, sodass es nicht zu Verzögerungen im Verfahren kommt. Das ist meist nur der Fall, wenn dies erst am Ende noch abgehakt werden soll.
Sie müssen sich auch mit kleinen Aufgaben befassen, etwa wenn ein Bürger einen Baum auf seinem Grundstück fällen will. Haben Sie da Entscheidungsspielräume bei der Interessensabwägung?
Anne Koszela: Baumfällungen sind ein sehr schwieriges Thema, da viele Belange dem Baumschutz übergeordnet sind, zum Beispiel die Verkehrssicherheit, der Hochwasserschutz, das Nachbarrecht und Prävention von Straßenschäden gehen in der Regel vor. Ich versuche die Bürger und Beteiligten davon zu überzeugen, den Baum oder die Hecke zunächst stehen zu lassen, wenn aber eine Fällung unbedingt gewünscht wird, empfehle ich wenigstens einen heimischen Laubbaum nachzupflanzen. Bei der geplanten Fällung von Bäumen auf öffentlichen Flächen stimmen der Bauhof und ich uns gerne gemeinsam ab. Hier gibt es eine gute Basis der Zusammenarbeit. Mir ist auch die Abstimmung mit den örtlichen Naturschutzverbänden sehr wichtig und ziehe mir diese als Experten vor Ort gerne zu Rate.
Aus der Gemeinde Nauheim ist bekannt, dass Sie sich früher beim Saalbautheater des Erzgebirgischen Heimatvereins sehr engagiert haben, vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit. Wie können Sie von dieser Zeit profitieren?
Anne Koszela: Durch das Theaterspielen und die Arbeit im Verein habe ich vielleicht weniger Scheu, mich mit Menschen auseinanderzusetzen und kann auch vor größeren Gruppen oder gestandenen Politikern meine Argumente vorbringen und erläutern. Ein bisschen Aufregung im Vorfeld gehört aber auch bei mir immer dazu. Außerdem fällt es mir nicht schwer, mich in verschiedene Rollen zu versetzen. So muss ich manchmal die Vermittlerrolle einnehmen, mal streng das Naturschutzrecht durchsetzen und mal Politikerin sein und eine diplomatische Antwort geben. So schlüpfe ich in meinem Job manchmal in die Rolle der Umweltaktivistin, der Stadtplanerin, der Projektmanagerin, der Gärtnerin, der Landwirtin, der Grafikdesignerin und auch mal in die der Eventmanagerin.
Dass sich junge Menschen wie Sie – in welcher Form auch immer – engagieren, ist keineswegs alltäglich. Woran könnte das liegen?
Anne Koszela: Ich habe das Gefühl, dass sich viele junge Leute engagieren, wenn Sie die Chance bekommen und in den Vereinen von den Erfahrenen auch darin unterstützt und an die Vorstandsarbeit herangeführt werden. Allerdings glaube ich auch, dass der Leistungsdruck, Hausaufgaben und Lernpensum in den Schulen, im Vergleich zu meiner Schulzeit, stark angestiegen sind. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Fridays-for-Future-Bewegung einen Teil dazu beitragen wird, dass sich auch im Naturschutz wieder mehr junge Menschen einsetzen.
Können Sie sich eines Tages auch ein politisches Engagement vorstellen?
Anne Koszela: Derzeit bin ich beruflich wie auch privat bzw. ehrenamtlich sehr stark ausgelastet. Ich bin im Vorstand der Hessischen Vereinigung für Naturschutz und Landschaftspflege, im örtlichen Hundeverein als Trainer und selbst aktiv, im Erzgebirgischen Heimatverein Nauheim aktiv, halte Schafe und päppele hin und wieder Wildtiere auf. Da bleibt derzeit keine Zeit für ein politisches Engagement. Allerdings würde ich es für die Zukunft nicht gänzlich ausschließen.
Sie leben auch in Trebur. Was macht die Gemeinde als Wohnort zu etwas Besonderem?
Anne Koszela: Trebur hat eine unglaublich vielseitige Landschaft. Es gibt Waldflächen, die Rheinauen, Streuobst, eine wunderschöne Seenlandschaft, großflächige landwirtschaftlich genutzte Strukturen wie Wiesen und Felder. Damit einhergehend das Vorkommen von überaus selten gewordenen Arten wie Haubenlerche, Biber, Rotmilan, Kiebitz, Gänse als Wintergänse und noch einige mehr. Trebur lädt gerade in der derzeitigen Lage zum Wandern und Radfahren ein. Zudem bietet Trebur auch Kulturell wie kulinarisch einige Highlights. Privat gehe ich gerne aufs Treburer Open Air und zu „Spaß uff de Gass“. Außerdem ist der Wochenmarkt für mich eine gerne genutzte Gelegenheit, mich mit Lebensmitteln einzudecken. Fleisch kaufe ich am liebsten direkt von meinem Landwirt.
Und wie sieht Trebur aus der Sicht der Umweltbeauftragten in fünf oder zehn Jahren aus?
Anne Koszela: Eine sehr spannende Frage. Ich würde mir das zukünftige Trebur in zehn Jahren in etwa so vorstellen: In der Gemeinde werden mittlerweile mehr Bäume gepflanzt wie gefällt. Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um auch ältere Bäume mit Pflegemaßnahmen zu erhalten. Viele öffentliche Grünflächen wurden umgestaltet, dort tummeln sich viele Insekten und Vogelarten. Viele Bürger halten sich dort auf und fotografieren die üppigen Blühwiesen. Die Dämme und Säume werden aus Rücksichtnahme erst ab Mitte Juni gemäht, einzelne Abschnitte dürfen als Altgrasstreifen stehenbleiben. Die Gemeinde Trebur gehört in zehn Jahren auch dem Landschaftspflegeverband Kreis Groß-Gerau an, und dort werden kommunenübergreifend tolle Konzepte mit der Landwirtschaft und dem Naturschutzverbänden entwickelt und viele Maßnahmen umgesetzt. Neue Wohngebiete sind am Rand von Trebur und Astheim entstanden, ein großzügiger Grünzug durchquert das gesamte Gebiet und die Straßen sind von großen, schattenspendenden Alleebäumen gesäumt. In der Mitte des Gebiets befindet sich ein Naturspielplatz mit großen Erdhügeln, Baumaterialien aus Totholz, Findlingen zum Klettern und einem wasserführenden Graben. Das Ökopunktekonto der Gemeinde ist randvoll gefüllt. Haubenlerchen werden immer häufiger gesehen, der Biber ist immer noch heimisch und baut seine Burgen am Schwarzbach. Auch der Feldhamster konnte durch viele Maßnahmen wieder gesehen werden. Aus ehemaligen Gräben und Feldwegen, die nicht mehr benötigt wurden, werden artenreiche Biotope entwickelt, die ein großes kohärentes Netz bilden.
Zur Person: Anne Koszela, aufgewachsen in Nauheim, wohnt seit 2018 in Trebur; Bachelor Studium der Landschaftsarchitektur an der Hochschule Geisenheim University bis 2014, Masterstudium „Umweltmanagement und Stadtplanung‘“ an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, abgeschlossen 2016, anschließend in Frankfurt in einem Landschaftarchitekten- und Planungsbüro beschäftigt, seit 2018 bei der Gemeinde Trebur tätig.