Neugier ist das Salz in der Suppe

Von Rainer Beutel.

Das WIR-Magazin publiziert seit 2013 die Tischgespräche, die W. Christian Schmitt mit prominenten Menschen geführt hat. „Alles aus erster Hand“ titelte Autor und WIR-Herausgeber voriges Jahr in einem fast 70-seitigen Rückblick auf diese lesenswerten Beiträge. Nun ist bald Schluss. In unserer Dezember-Ausgabe folgt – coronabedingt – anstelle der 50. Folge, bei der stets auch WIR-Mitarbeiter Werner Wabnitz als Kameramann zugegen war, ein abschließendes Interview mit Sabine Funk. Wie es nun (vielleicht) weitergeht, lesen Sie u.a. im Interview, aufgezeichnet von Rainer Beutel.

Herr Schmitt, Herr Wabnitz, nach nahezu 50 Tischgesprächen sind Sie beide hoffentlich noch nicht satt – oder?

W. Chr. Schmitt: Journalisten sollten immer hungrig sein, vornehmlich natürlich auf Neuigkeiten, Fakten, Stimmungen, bevorstehende Entscheidungen, Hintergründiges etc. Wenn solcherlei an einer gemeinsamen Tafel bei einem leckeren Essen in Erfahrung gebracht werden kann – warum nicht?

Werner Wabnitz: Als gebürtiger Groß-Gerauer bin ich noch lange nicht satt, wenn es um Themen geht, die unseren Heimatkreis und dabei besonders das Gerauer Land betreffen. Ob mit dem Fotoapparat oder der Filmkamera, die Lust auf Land und Leute unserer Region ist ungebrochen. Es gibt für mich bestimmt noch gute Möglichkeiten, Ideen und Formate, wo ich mein Engagement einbringen kann.

Was gab vor inzwischen sieben Jahren den Ausschlag, diese Gesprächsreihe zu beginnen? Gab es ein Vorbild?

Werner Wabnitz: Ich fand die Idee der Tischgespräche von W. Christian Schmitt interessant, und es war für mich als Fotograf und Filmer eine schöne Herausforderung, das gesamte Geschehen zu dokumentieren. Dann kam vor dem ersten WIR-Tischgespräch von Sabine Funk der Vorschlag, das Gespräch in ihrer Wohnung statt – wie geplant – in einem Restaurant zu führen. So wurde das Gespräch mit der Sparkassendirektorin zum Vorbild für zahlreiche WIR-Tischgespräche, die in privater Atmosphäre stattfanden.

W. Chr. Schmitt: Wer lange genug im Medien-Geschäft ist, weiß, dass Interviews nur begrenzt die Möglichkeit schaffen, von einem Gesprächspartner all das zu erfahren, was anschließend Leser interessieren könnte. Mit einem WIR-Tischgespräch gelang es indes in aller Regel, einen lockeren Gedankenaustausch zu ermöglichen, bei dem nicht jede spontane Äußerung, jedes offene Wort gleich auf die Goldwaage gelegt wurde.

Existieren von den Tischgesprächen Aufnahmen? Und können unsere WIR-Leser die Videos gesammelt betrachten?

Werner Wabnitz: Ja, alle veröffentlichten Videos der Tischgespräche können über die Homepage des WIR-Magazins (www.wir-in-gg.de) unter der Rubrik „WIR-Videos“ und „Tischgespräche“ angesehen werden.

W. Chr. Schmitt: An dieser Stelle habe ich besonders dem Kollegen Werner Wabnitz zu danken, denn ohne seine Video-Clips wäre dieses journalistische Format, das auch für mich Neuland war, nicht zu realisieren gewesen. Dank zudem an all die Gesprächspartner, die sich auf diesen offenen, fast schon familiären Dialog eingelassen haben.

Herr Schmitt, 2019 haben Sie auf fast 70 Seiten eine Auswahl Ihrer Reportagen mit kulinarischem Hintergrund mit Bildern von Herrn Wabnitz als WIR-Buch veröffentlicht. Wer diese Dokumentation liest, erhält einen breit gefächerten Eindruck über Menschen, die in der Region etwas bewegen oder bewegt haben. Wie haben Sie denn selektiert, wer für ein Tischgespräch in Frage kommt? Sicherlich nicht wg. dessen oder deren Kochkünste, nehme ich an.

W. Chr. Schmitt: Wenn das Auswahl-Kriterium allein die Kochkünste gewesen wären, hätten wir aus journalistischer Sicht sicher etwas zu kurz gedacht. Nein, es war einzig und allein die Neugier. Was ist das für ein Mensch, der sich in irgendeiner Form in diese Gesellschaft einbringt? Ist er das, was wir über ihn gelesen, gehört haben? Oder ist er ganz anders zu sehen? Wie denkt er über sich und seine Arbeit? Was über den Ort, in dem er lebt? Welche Lebensleistung hat er vorzuweisen? Welche Perspektiven sieht er für sich? Usw.

Ihre Beiträge haben stets auch unterhaltsamen Charakter. Es macht Spaß, die Berichte zu lesen. Mit Blick auf die ernsten Inhalte: Hatte der eine oder andere Beitrag auch unmittelbare Konsequenzen für das gesellschaftliche oder politische Handeln im Gerauer Land?

W. Chr. Schmitt: Natürlich hat man als junger Journalist die Vorstellung, man könne mit seiner Arbeit – zumindest ein wenig – die Welt verändern. Mit zunehmendem Alter wird einem jedoch klar(er), bewusster, dass die berufliche Aufgabe vorrangig ist, Zustände zu beschreiben, zu dokumentieren, Transparenz herzustellen, gelegentlich auch zu kommentieren. Ob dies „unmittelbare Konsequenzen für das gesellschaftliche und politische Handeln im Gerauer Land“ hat, ist wohl eher von Außenstehenden zu beurteilen.

Apropos Freude beim Lesen: ­Sicherlich haben Sie beide die eine oder andere Anekdote erlebt, die nicht in den Reportagen zu lesen oder auf den Videos zu sehen ist. Plaudern Sie doch bitte mal aus dem Nähkästchen.

Werner Wabnitz: Als Kameramann hatte ich gelegentlich mit unerwarteten Geräuschen zu kämpfen, die besonders bei den Gesprächen im Freien auftraten. Bei Kaffee und Kuchen in Groß-Gerau störte plötzlich der Rasenmäher eines Nachbarn, in Büttelborn musste das Gespräch durch den störenden Lärm überfliegender Flugzeuge unterbrochen werden, und manchmal gelang es auch Haustieren, sich in die Tischgespräche einzumischen. So huschte schon mal eine Katze durchs Bild, oder ein Vogel zwitscherte fröhlich dazwischen.

Gab es hier und da auch ein ganz besonders exquisites Gericht, das Ihnen aufgetischt wurde? Und vielleicht auch mal einen absoluten Reinfall, weil etwas angebrannt war oder gar nicht mundete?

Werner Wabnitz: Mir sind einige Tischgespräche in guter Erinnerung geblieben, bei denen die Gastgeber ihre Kochkünste live zeigten und sowohl das Gespräch wie auch die Filmaufnahmen zeitweise in der Küche stattfanden. Besonders bemerkenswert waren die abendlichen Tischgespräche mit dem Ersten Kreisbeigeordneten Walter Astheimer und bei Landrat Thomas Will, die uns beide mit einem „perfekten Dinner“ überraschten. Nicht zu vergessen ist aber auch das „längste Tischgespräch“ mit Helmut Kinkel. Bei „Frankfurter grie Soß“ wurde es immer später und erst kurz vor Mitternacht verabschiedeten wir uns aus Dornheim. Ganz anders verlief das geplante Tischgespräch in der Leeheimer BüchnerBühne, als sich beide Gesprächspartner von Beginn an so intensiv mit ihren Themen beschäftigten, dass am Ende ein gemeinsames Essen vergessen worden war.

Zum Abschluss zurück zu meiner Eingangsfrage: Wo werden Sie beide künftig bewirtet – beziehungsweise auf welchen „Nachtisch“ dürfen sich die WIR-Leser freuen? Etwa auf ein neues, journalistisches Format?

W. Chr. Schmitt: Wo wir künftig „bewirtet“ werden, nachdem die WIR-Tischgespräche in unserer Dezember-Ausgabe ihren Abschluss finden werden, ist ganz einfach zu beantworten: An jenen Orten, wo sich meine/unsere Lieblingslokale befinden. Sie fragen zudem noch, ob es ein „neues, journalistisches Format“ geben wird? Die Frage ist mit JA zu beantworten. Schließlich lebt ein Magazin wie das unsrige davon, mit immer neuen Ideen Leser (und Anzeigenkunden) zu erfreuen. Im Januar starten wir ein neues Format. So viel für heute, mehr dazu in Kürze.

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