Zuhören, was Bürger bewegt

Von Rainer Beutel.

Die Freien Wähler Trebur (FWT) stellen in der Großgemeinde den Bürgermeister und gelten als volksnah. Der „politische Verein“ findet sich im Spannungsverhältnis zwischen Kommunalpolitik und Parteien bestens zurecht. Das beweisen jüngste Wahlergebnisse. Fraktionschef Rüdiger Lukas erklärt im Gespräch mit WIR-Redakteur Rainer Beutel Hintergründe und Herangehensweise.

Herr Lukas, die Freien Wähler in Trebur engagieren sich ausschließlich in der Großgemeinde.  Warum treten sie nicht als Partei auf?

Rüdiger Lukas: Die Freien Wähler in Trebur haben sich im Sommer 2015 gegründet. Von Beginn an war es klar, dass wir uns als politischer Verein aufstellen. Es fanden sich Menschen, die vorher bereits einmal in politischen Parteien waren oder keiner Partei angehörten. Uns allen war es wichtig, dass wir unsere Gemeinde wieder auf den richtigen Weg zurückbringen wollen. Trebur war hoch verschuldet, es hatte sich ein schier unauflösbarer Sanierungsstau aufgetürmt, und es sind einfach falsche Entscheidungen getroffen worden (Logistikzentrum, Wiederverfüllung). Es ging einfach nichts mehr. Die etablierte Politik hatte keine Lösungsansätze anzubieten. Wir hatten die Überzeugung, dass wir das nur in Form eines politischen Vereins angehen können.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile?

Rüdiger Lukas: Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Wir haben uns 2015 auf den Weg gemacht, um etwas für unsere Großgemeinde mit ihren Ortsteilen zu tun. Dabei kam für uns nicht in Frage, uns nach übergeordneten parteipolitischen Interessen, irgendwelchen Parteiprogrammen oder Begehrlichkeiten und Befindlichkeiten auf Kreis-, Landes- oder Bundesverbänden zu richten. Das ist für uns ein sehr großer Vorteil. Wir können uns voll und ganz auf unsere Großgemeinde konzentrieren. Ohne irgendwelche parteipolitischen und weltanschaulichen Dogmen können wir 100 Prozent Sachpolitik machen – „alles, was der Sache dienlich ist!“

Gibt es auch Nachteile?

Rüdiger Lukas: Ein winzig kleiner Nachteil ist vielleicht, dass wir keinen direkten Kontakt in die Landes- oder Bundesparlamente oder gar in die Ministerien haben, aber hier wenden wir uns bei Bedarf an die gewählten Landes- und Bundestagsabgeordneten. Das hat bislang gut funktioniert.

Die Freien Wähler Trebur erreichen, wie bei den vergangenen Wahlem und beim Bürgermeisteramt zu sehen, gute Resultate. Woran liegt das?

Rüdiger Lukas: Es hängt meiner Auffassung nach an der ganz hervorragenden Arbeit unseres Bürgermeisters Jochen Engel, an einer guten Fraktionsarbeit und gleichzeitig an einer guten Arbeit des Vereins. Wir versuchen, stets unseren Bürgerinnen und Bürgern zuzuhören und das aufzunehmen, was sie bewegt. Was noch wichtiger ist, im nächsten Schritt auf die Bürgerinnen und Bürgern zuzugehen und nachzufragen. Ich sage dazu immer: „Es darf ruhig einmal uff die Gemoa und die Freien Wähler geschennt werden.“ Oft steckt selbst in Beschwerden und scharfer Kritik eine Basis dafür, Maßnahmen und Anträge erfolgreich in den politischen Diskurs zu bringen. Ich denke, dass auch in Parteistrukturen auf kommunaler Ebene erfolgreiches Arbeiten möglich ist. Das sieht man in anderen Kreiskommunen, in denen etablierte Parteien den Ton angeben .

Konkret: Wie binden Sie die Bevölkerung ein?

Rüdiger Lukas: Immer ein offenes Ohr haben. Alle Bürgerinnen und Bürger – gerade in der heutigen von Krisen geschüttelten Zeit – ernst nehmen. Verein und Fraktion versuchen, die Bürgerinnen und Bürger auf dem Stand der Dinge zu halten oder niederschwellige Angebote zur Beteiligung zu setzen. Eine E-Mail, eine klassische Zuschrift per Brief oder ein kurzer Anruf gehen immer. Informationen auf unserer Homepage sind eine gute Ergänzung. Wir versuchen frühzeitig zu erkennen, wo der Schuh drückt, und wollen auf die Betroffenen zugehen und direkten Kontakt aufnehmen. Ferner bieten wir Veranstaltungen an, die oft nichts mit Politik zu tun haben, wie beispielsweise das jährlich im November stattfindende Drachenfest. Wir sehen das Thema Bürgerbeteiligung immer selbstkritisch, da gibt es noch viel Luft nach oben. Aber wir arbeiten daran.

Ist der Schluss erlaubt, dass eine nicht gerade unbeachtliche Menge von demokratisch gesinnten Menschen einfach genug haben von den etablierten Parteien?

Rüdiger Lukas: Das sehe ich nicht so. Wie bereits erwähnt hängt es an den etablierten Parteien selbst, ob sie gute Kommunalpolitik machen oder auch nicht. Ich habe festgestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger es anerkennen, wenn vor Ort Einsatz und Engagement stimmen und wirklich an lokalen Themen gearbeitet wird. 

Welche Folgen sehen Sie für die Zukunft, wenn Parteien vielerorts in Frage gestellt werden?

Rüdiger Lukas: Ich sehe es nicht unbedingt, dass Parteien mitsamt ihren Strukturen künftig in Frage gestellt werden müssen. Aber das hängt auch schlicht und einfach daran, ob sich etablierte Parteien in ihren hohen Parteigremien wieder darauf besinnen, dass eine Keimzelle unserer Demokratie in einer guten Politik auf kommunaler Ebene liegt.

Im Bund hat sich beispielsweise die „Wagenknecht-Partei“ gebildet. Droht da eine Zersplitterung der politischen Landschaft nach Weimarer Verhältnissen?

Rüdiger Lukas: Ich bin froh darüber, dass wir mit unserem Grundgesetz eine Verfassung haben, die aus den Fehlern in der Weimarer Republik gelernt hat. Eine wesentliche Errungenschaft ist die Fünf-Prozent-Hürde, womit bislang verhindert werden konnte, dass wir eine Zersplitterung in den Parlamenten vorfinden. Artikel 21 des Grundgesetz sieht ausdrücklich die Mitwirkung von Parteien an der politischen an der politischen Willensbildung vor. Das bedeutet, dass sich neue Parteien oder politische Vereine wie wir bilden können. Eines lässt sich aber nicht vermeiden, nämlich dass sich unter dem Deckmantel unserer Demokratie und unserer Verfassung eine Partei wie die AfD gründet, die sich im Laufe ihrer noch jungen Geschichte zu einer Partei entwickelt hat, in der offen rechtsradikale, faschistische, ewig gestrige und antisemitische Gedanken und Ziele propagiert werden. Da wird mir angesichts dessen, was in der Weimarer Republik geschehen ist, Angst und Bange. 

Wie viel Partei braucht Kommunalpolitik also noch?

Rüdiger Lukas: Parteien werden in der Kommunalpolitik weiterhin gebraucht, aber die etablierten Parteien müssen begreifen, dass sie einfach mehr für die Kommunen tun müssen. Wenn es den Parteien von ihren Spitzengremien aus nicht gelingt, in den Kommunen wirklich aktiv zu werden und ihre ehrenamtlichen Kommunalpolitiker vor Ort substanziell zu unterstützen, dann braucht die Kommunalpolitik keine etablierte Partei mehr, und man überlässt das Feld denjenigen, die unsere Demokratie und unsere vielfältige Gesellschaft bekämpfen und abschaffen wollen. 

Was denken Sie, warum sich das Treburer Erfolgsmodell der FWT nicht einfach auf den Kreis, auf das Land oder gar den Bund übertragen lässt?

Rüdiger Lukas: Um es zu wiederholen, wir haben den Fokus ausschließlich auf unsere Großgemeinde Trebur. Wir gehen bescheiden und auch demütig mit dem Erfolg um. Vielleicht sind wir manchmal auch zu bescheiden … . Wir wollen mit den Treburer Bürgerinnen und Bürger gemeinsam etwas für unsere Gemeinde erreichen. Insofern lässt sich unser Ansatz gar nicht auf einen Kreis, auf das Land oder den Bund übertragen. Vielleicht ist unser Modell eine Motivation für Bürgerinnen und Bürger, sich in Kommunen, in denen sich etablierte Parteien gänzlich zurückgezogen und den AfD-Schergen das Feld überlassen haben, zusammenzufinden und vor Ort selbst das Heft in die Hand zu nehmen.

Rüdiger Lukas
ist Gründungsmitglied und Fraktionschef der Freien Wähler in Trebur;
ruediger.lukas@fw-trebur.de

www.fw-trebur.de

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